Premieren 2023
"Liebe in Zeiten der Krise"
„In Zeiten wie diesen“ und „Traum und Wirklichkeit“ waren jene Fragen und Themen, die sich das Theater KOSMOS in den letzten beiden Jahren mit der jeweiligen Programmgestaltung gestellt hat. Im Jahr 2023 fokussiert sich unser Spielplan auf die „Liebe in Zeiten der Krise“.
Klimawandel, Pandemie, Kriege, Inflation, Teuerungen, explodierende Miet- und Immobilienpreise verunsichern die Gesellschaft und jeden Einzelnen immer mehr. Die daraus resultierende pessimistische Grundstimmung dominiert unser Zusammenleben. Unsere vielgepriesene Soziale Marktwirtschaft erfüllt schon längst nicht mehr das, was sie versprochen hatte, nämlich Aufstieg und Wohlstand für alle Menschen. Sie hat sich in einen „Turbokapitalismus“ verwandelt, dessen Credo sich ausschließlich in der Anbetung der Gewinnmaximierung äußert. Unsere Ressourcen werden immer knapper, die Mehrheit immer ärmer und ein marginaler Teil der Bevölkerung immer reicher. Konkurrenz und Wettbewerb ersetzen Zusammenarbeit, Solidarität und Empathie.
Eine Konstellation, welche die Fragilität und Verletzbarkeit unseres globalen Zusammenlebens deutlich aufzeigt. Unser gesellschaftspolitisches, soziales und ökonomisches System befindet sich auf dem Prüfstand. Wir befinden uns in einer Krise.
Was tun mit einem Gefühl der Ohnmacht beim Anblick dieses Scherbenhaufens? Was bleibt übrig, wenn vermeintliche Sicherheiten wegfallen und damit die Aussichten auf eine stabile Zukunft plötzlich nicht mehr realistisch sind? Was bleibt im Kleinen, im Alltag? Wem vertrauen wir? Wem können wir noch vertrauen? An was soll man sich da noch klammern? An was glauben? An die Beziehung zu Menschen? An Liebe, Freundschaft, Empathie? Ist das eine Strategie, die uns wieder Sicherheit, Stabilität und Macht über unser Leben verleiht, oder hat Sartre mit seinem Satz „Die Hölle, das sind die anderen“ recht?
Auf diese Fragen richtet das Theater KOSMOS seine Scheinwerfer. „Liebe in Zeiten der Krise“, die Frage nach dem Miteinander in Krisenzeiten prägt unseren Spielplan als Motto für 2023.
In Edward Albees Drama „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“ werden unerfüllte Träume, verlorene Illusionen und geplatzte Lebenslügen in einem virtuos - bösen Gesellschaftsspiel in den Mittelpunkt gestellt. Vernichtend, zerstörend, gnadenlos streiten sich Martha und George durch eine lange Nacht und erschöpfen sich in dem verzweifelten Versuch ihre Liebe zu töten.
In „Das weiße Dorf“ lässt Teresa Dopler zwei junge Menschen auf einer Amazonas-Reise über ihre Lebensentwürfe stolpern und sich fragen, ob die Entscheidungen in der Vergangenheit richtig waren und zu jenem Glück geführt haben, das sie sich von ihrem jeweiligen Leben auch erwartet hatten?
Sina Heiss adaptiert in „möwe/retweeted“ Anton Tschechows Klassiker, der uns die Sehnsucht nach Liebe, Geborgenheit und erfülltem künstlerischem Schaffen vor Augen führt und der schließlich seine Figuren lächelnd zum Scheitern verurteilt.
In „Die Erwachsenen“ von Irene Diwiak (Preisträgerin des Ingo & Ingeborg Springenschmid Preis) schält die Autorin den Kern einer Familiengeschichte aus einer dunklen Vergangenheit heraus, die von fanatischen, dogmatischen und orthodoxen Parametern geprägt war. Das Offenlegen des Gewesenen, das Aussprechen der abgründigen Wahrheiten, birgt dennoch Hoffnung…
Die Beziehungen in einer Zeit, in der die Gesellschaft als Gesamtheit überfordert und verunsichert ist, die Bande zwischen zwei oder mehreren Menschen und die Kräfte dieser Verbindungen – ob zerstörerisch, obsessiv, harmonisch oder kreativ - bilden den inhaltlichen Kern des Spielplanes 2023.
Uraufführungen und Premieren 2023
Wer hat Angst vor Virginia Woolf
von Edward Albee
Premiere: 23. Februar 2023
Was kann geschehen, wenn nach Mitternacht ein altes Ehepaar auf ein junges trifft? Wie spielt man "Gib's dem Gast"? Und welche Regeln kann Mann oder Frau in einem "totalen" Ehekrieg verletzen? George und Martha - ihre Träume sind unerfüllt geblieben, ihre Illusionen haben sie verloren. Seit Jahren kleben sie an ihren Lebenslügen und führen einen permanenten Ehekrieg mit klaren Spielregeln: Den anderen kleiner machen als er sich selbst schon fühlt. Nach einem College-Empfang für die neuen Dozenten kommen sie um 2 Uhr nachts nach Hause. George will zu Bett gehen, aber Martha erwartet noch Gäste. Nick und Süße - sie sind neu am College und bereit, sich den Spielregeln anzupassen. Zunächst Zaungäste eines ehelichen Schauturniers, werden sie bald aus ihrer Zuschauerrolle gerissen, voll in den Konflikt der Gastgeber einbezogen und müssen Stellung beziehen. Dabei wird das brüchige Fundament ihrer eigenen Beziehung immer deutlicher. Als Nick und Süße schließlich aufbrechen, bleiben Martha und George ausgelaugt zurück. Nachdem alle Illusionen zerstört sind, besteht vielleicht die Chance auf einen neuen Anfang.
Edward Albee wurde 1928 in Washington geboren. Dreißig Tage nach seiner Geburt kam er nach New York und wurde dort von dem amerikanischen Theaterunternehmer und Multimillionär Reed Albee adoptiert. Er besuchte verschiedene Schulen und studierte am Trinity College und an der Columbia Universität. Im Alter von 21 Jahren verließ er sein Elternhaus und arbeitete, obwohl finanziell durch eine Erbschaft unabhängig, in den verschiedensten Jobs vom Warenhausverkäufer bis zum Telegrammboten und Barmann. Sein Interesse für Musik und Theater war stets besonders groß. Seine Weltkarriere als Dramatiker begann in Berlin, wo Boleslaw Barlog 1959 den Einakter Die Zoogeschichte in der Werkstatt am Schillertheater herausbrachte, nachdem er von mehreren amerikanischen Bühnen abgelehnt worden war.
mit SABINE LORENZ | HUBERT DRAGASCHNIG | KAIJA LEDERGERBER | KOLJA HEISS
Inszenierung AUGUSTIN JAGG | Kostüme NICOLE WEHINGER
Das weiße Dorf
von Teresa Dopler
Premiere: 4. Mai 2023
Ein Kreuzfahrtschiff auf dem Amazonas, an Deck begegnen sich Jean und Ruth wieder. Zwei junge, erfolgreiche Menschen, beide sind mit ihren jeweiligen Partnern unterwegs. Während man an der Reling steht und auf die vorbeiziehende Landschaft schaut, spricht man zunächst über die Karriere und den reibungslosen Service an Deck. Das feuchte Klima drückt, man scherzt und ergeht sich in Lobreden über die gelungenen Lebensentwürfe.
Immer wieder treffen Jean und Ruth einander an Bord dieses Schiffes, zuerst scheinbar zufällig, dann bewusst. Es knistert, sie flirten und bestätigen sich gleichzeitig, dass es nichts zu bedeuten hat, sie sind abgeklärt und können über alles lachen. Dennoch regt sich etwas in den beiden, es ist die Sehnsucht nach dem anderen, und vielleicht auch die Sehnsucht nach etwas, das diese glatt angelegten Leben übersteigt…Das weiße Dorf ist ein komisch-trauriges Kammerspiel, das seine zwei Protagonisten in einem hermetischen Wortgerüst gefangen hält. Die zirkulierenden Dialoge sind wie ein Monolog mit zwei Sprechern, denn Ruth und Jean sind beide eigentlich viel zu beschäftigt für romantische Träume. „Keine Zeit, keine Sehnsucht.“
Teresa Dopler wurde 1990 in Oberösterreich geboren. Sie studierte Sprachkunst an der Angewandten Kunstuniversität Wien und Theater- Film und Medienwissenschaften an der Universität Wien. Längere Auslandsaufenthalte in Spanien, Portugal und Frankreich. Mit Das weiße Dorf gewann sie 2019 den Autor:innenpreis des Heidelberger Stückemarktes. Teresa Dopler ist Teilnehmerin bei FORUM Text 2018-20 und nahm 2019 an der Residency for Emerging Playwrights am Royal Court Theater teil. Sie erhielt zahlreiche Literaturstipendien, darunter das Dramatiker:innenstipendium der Literar-Mechana, und das Literaturstipendium der Stadt Linz. Teresa Dopler lebt in Wien.
REGIE Augustin Jagg | AUSSTATTUNG Stefan Pfeistlinger
Möwe / Retweeted
von Sina Heiss | Uraufführung
Premiere: 28. September 2023
Anton Tschechow schreibt mit Die Möwe ein Künstlerdrama. Er zeichnet in atmosphärischen Linien eine feinsinnige Geschichte über das Wesen der Kunst und die (Selbst-)Aufgabe von Kunstschaffenden. Außerdem suchen die Handelnden in Die Möwe Antworten auf das Leben und wie sie dieses bewältigen sollen. Was mit einem scheinbar schlechten, amateurhaften Theaterstück über die Zukunft der Natur und Menschheit beginnt, endet in einer Tragödie über unerfüllte Liebe, Narzissmus und Suizid.
möwe/retweeted ist eine Adaption des Tschechow Klassikers Die Möwe, sprachlich inspiriert durch das Social Media Phänomen #Twitter und den berühmten #Retweet-Button.
Sina Verena Heiss ist freie Regisseurin und Theaterautorin in Wien und schreibt mit die möwe/retweeted ihre dritte Tschechow-Adaption: 2017 erarbeitete sie im Prozess mit Jugendlichen das Stück Kirschkernweitspucken, eine sehr freie Adaption von Der Kirschgarten, das im Theater Phönix in Linz uraufgeführt und für dessen Produktion der Preis "Stadt der Vielfalt" verliehen wurde. Weiters gelangte ihre Adaption von Iwanow unter dem Titel Die Überflüssigen im Februar 2022 am TAG in Wien zur Uraufführung. Sina Heiß hat ihr Masterstudium in Theaterregie an der Columbia University in New York abgeschlossen und zuvor Jazz-Gesang an der Anton-Bruckner-Universität in Linz studiert. Ihr Zugang zu Dramatik ist somit sehr praxisbezogen und sie setzt Bühnentexte gerne rhythmisch und melodisch um. Werke, für die sich Sina Heiß sowohl als Regisseurin als auch Autorin verantwortlich zeigt, sind neben den oben erwähnten Tschechow Adaptionen u.a. Vaginas im Dirndl (Frauen-Kabarett; Touren in Deutschland und Österreich zwischen 2010-2020), #schalldicht (Kopfhörertheater für Jugendliche; UA schäxpir Festival Linz; nominiert für den Stella 2022), The Bride-Project (Kosmos Theater Wien, Phönix Linz, BRUX Innsbruck 2017). Eine komplette Werkliste, Videos und Fotos finden Sie auf sinaheiss.co
Regie SINA HEISS
Die Erwachsenen
von Irene Diwiak | Uraufführung
Preisträgerin des Ingo & Ingeborg Springenschmid Preis
Premiere: November 2023
Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich, jede unglückliche Familie ist unglücklich auf ihre Weise. (Lew Tolstoj)
Das Ehepaar Thore und Theresa hat es sich gut eingerichtet in seinem Erwachsenenleben. Aber als Thores Schwester Swintha überraschend bei ihnen auftaucht und verschüttet geglaubte Gräben aufreißt, beginnt die Fassade zu bröckeln. Nicht nur Theresa, die in desolaten Verhältnissen ohne Familie aufgewachsen ist, hat mit Kindheitstraumen zu kämpfen. Denn die „heile Familie“, der Thore und Swintha entstammen, richtete sich in Wahrheit streng nach neurechten Ideologien. Und was ist eigentlich mit ihrem jüngeren Bruder Friedo geschehen?
Häkeldeckchen, Porzellanfiguren, ein Wohnzimmer altmodisch, konservativ. Darin eine junge Frau, die nachts Besuch von der Schwester ihres Mannes bekommt. Eine drückende, angespannte Stimmung, irgendetwas stimmt hier nicht, das ist von vornherein klar. Irene Diwiak spannt ihr Stück um ein junges Geschwisterpaar Thore und Swintha sowie die Beziehung zwischen den jungen Eheleute Thore und Theresa. Die drei aus ganz unterschiedlichen Milieus, mit ihrer ganz eigenen Geschichte, die sie mit sich tragen, die sie nicht loslässt, immer wieder einholt und überrumpelt.
„Es ist ein Stück über die (Un)Möglichkeit der Kindheitsbewältigung und die politische Bedeutung des Begriffs Familie“ (Irene Diwiak)
Irene Diwiak, geboren am 10. Dezember 1991 in Graz, Studium der Judaistik, Slawistik und Komparatistik in Wien. Nebenher viel Theater, auf und hinter der Bühne. Zahlreiche Literaturpreise, u.a. bei der Jugendliteraturwerkstatt Graz (2005, 2008), FM4-Wortlaut (2013), Theodor-Körner-Förderpreis (2015), Jurypreis beim Autorenwettbewerb der Nibelungen-Festspiele Worms (2015), Förderpreis der Stadt Graz (2018), Stipendium für Dramatik der Stadt Wien (2021). Ihr Theaterstück „Die Isländerin“ wurde 2016 in Worms uraufgeführt. Ihr Debütroman „Liebwies“ erschien 2017 bei Deuticke und stand auf der Shortlist für den Debütpreis des Österreichischen Buchpreises. Ihr zweiter Roman „Malvita“ ist 2020 bei Zsolnay erscheinen. 2021 Stipendium für Dramatik der Stadt Wien, Jubiläumsfondsstipendium der Literar.Mechana. Ihr dritter Roman erscheint voraussichtlich 2023 bei C. Bertelsmann, München.